Montag, 29. Februar 2016

Das Opferlamm Gottes

Etwas ganz spannendes für mich sind Filme, in denen die Geschichte unter anderem auch durch kleine Details getragen wird, die einem erst beim mehrmaligen Anschauen auffallen. Einer dieser Filme ist Stolz und Vorurteil von 2005. Hier spielen die kleinsten Gesten eine wichtige Rolle und manchmal denkt man sich, warum es eine Großaufnahme einer bestimmten Geste gab, bis man später den Vergleich bekommt. Plötzlich wird die Veränderung der Einstellung nur durch diese Geste dargestellt. Und genau das passiert in unserem Text von heute. Wir werden uns ein kleines Detail betrachten, dass auf den ersten Blick keinen Sinn macht. Denn erst im Verlauf der Geschichte, die Johannes uns in seinem Evangelium erzählt, merkt man, wie er es benutzt, alles zusammen zu halten.

Lies dafür Johannes 1, 28 und schreibe kurz auf, was wir über den Ort, an dem Johannes tauft, erfahren.






Manche von uns haben schon einmal von einem Ort mit dem Namen Betanien gehört. Und zwar in Verbindung mit Lazarus, Martha und Maria, die dort wohnten. Aber dies ist nicht der gleiche Ort. 

Lies Johannes 11, 1 und 18 und schreibe auf, was wir hier über die Lage von Betanien erfahren.







Dieses bekannte Betanien liegt ganz in der Nähe von Jerusalem, an der Straße nach Jericho. Also nicht auf der Ostseite des Jordans, und ist somit nicht der Ort, an dem Johannes tauft. Die Taufstelle von Johannes dem Täufer wird noch an zwei weiteren Stellen im Johannesevangelium erwähnt,  aber beides Mal nur als “jenseits der Jordans”  (Johannes 3, 26 und Johannes10, 40) Bis heute weiss keiner so genau, wo dieses Betanien (am Jordan) eigentlich liegt. Was zumindest bei mir die Frage aufwirft, warum Johannes hier dem Ort diesen Namen gibt, und nicht wie an den anderen Stellen nur einfach sagt: “jenseits des Jordans”. 

Und auf meiner Suche nach einer Antwort bin ich über folgendes Zitat gestoßen, dass meinen Verdacht, dass diese Namensgebung durch Johannes kein Zufall ist, bestätigt hat. D.A. Carson schreibt in seinem Kommentar etwas sehr interessantes zu diesem Vers (der englische Originaltext mit Quellenangabe steht am Ende des Posts). Wir werden uns dieses Zitat langsam erarbeiten. Denn der Kommentator füllt seine These mit Textstellen, wobei die erste unsere Stelle für heute ist. Damit wir die Tragweite besser verstehen, werden wir jedes Mal eine kleine Pause machen, und uns den Text, auf den sich Carson bezieht, ansehen:

“Es ist gut möglich, dass Johannes hier diese Details benutzt (diese andere Schreibweise für den uns nicht bekannten Ort, was damals üblich war, wenn eine Erzähler einen Punkt machen wollte (Anmerkung von mir, wird im Text von Carson davor erklärt) ): er entscheidet sich für eine bestimmte Art der Rechtschreibung, um hervor zu heben, dass Jesus Dienst sowohl in ‘Betanien’ beginnt als auch dort endet. Zu Betanien, jenseits des Jordans wird Jesus als Lamm Gottes, dass die Sünde der Welt auf sich nimmt, identifiziert (1, 28-29); …”

Alles beginnt hier in Betanien, jenseits des Jordans. Lies nun Johannes 1, 28-34 und beschreibe danach kurz, was wir hier über Jesus durch das Zeugnis von Johannes, den Täufer erfahren





Nachdem der Täufer in dem Gespräch mit den Gesandten aus Jerusalem immer wieder den Fokus von sich weg gebracht hatte, bringt er ihn nun auf die Hauptperson, um die es uns alle gehen sollte. Und dies geschieht mit einem kleinen Wort in Vers 29: “Seht” oder “Siehe” ja nach Übersetzung.  Dies ist ein wichtiges Wort für Johannes. In der Elberfelder Übersetzung benutzt  er eins von beiden insgesamt 28 mal, und wenn man noch all die anderen Formen von sehen hinzunimmt, merkt man schnell, dass es Johannes wichtig ist, dass wir etwas sehen.  Das griechische Wort ide, was soviel wie “Siehe!”, “Seht!” oder “Guckt!” bedeutet, benutzt er gleich 13 Mal und 3 davon kommen in Kapitel eins vor. Das erste Mal in unserem Vers und dann auch noch in Vers 36 und 47. Wenn man sich all die Verse ansieht, merkt man schnell, dass es für Johannes eine tiefere Bedeutung hat, als einfach nur etwas wahrzunehmen. Wenn ihr wollt, könnt ihr dieses Wort auch zu eurer Liste von Wörtern aufnehmen. 

Was verstehen wir eigentlich unter dem Wort "sehen". Der Duden listet direkt 11 verschiedene Bedeutungen zu “sehen”. Damit wir dieses kleine Wort nicht mehr so schnell überlesen, lasst uns etwas darüber nachdenken. Schreibt dazu auf, warum die folgenden drei Bedeutungen gerade im Umgang mit Jesus wichtig sein könnten.



1. Aufmerksamkeit, Interesse, Erwartung auf jemanden, auf etwas richten oder gerichtet halten


2. erleben


3. erkennen, erfassen


Was auch immer Johannes  (der Täufer, sowie auch der Evangelist) mit der Aufforderung “Siehe!” gemeint hat, das was kommt ist wichtig, und wir sollten uns das genau “ansehen”.
Denn nach diesem kleinen Wort folgt die erste gewaltige Aussage über Jesus: “das Opferlamm Gottes, das die Sünde der ganzen Welt wegnimmt” (NGÜ). Das ist eine Aussage, die für viele von uns sehr bekannt ist. Aber für die Zuhörer von Johannes dem Täufer war dies sehr schwierig zu verstehen. Deswegen lasst uns diese Aussage einmal im Blick auf das Alte Testament auseinander nehmen. Denn das ist der Hintergrund, den die Menschen damals hatten. 
Da ist zunächst einmal das Opferlamm. Etwas, was die Juden damals wahrscheinlich wesentlich besser verstanden als wir heute - weit weg vom regelmäßigen Opferdienst im Tempel. 

Damit du einmal einen kleinen Einblick in das Opfersystem bekommst, lies einmal nur die Überschriften von 3. Mose 1 - 5 (eine umfangreiche Liste der Opfer), und schreibe auf, welche Opfer du dort begegnest. 






Wenn man den Text ganz liest, kommt dort 5 mal ein Lamm als Opfergabe vor. In einer dieser Stellen geht es um das Sündopfer. Da in der Aussage von Johannes das Opferlamm auch mit Sünde in Verbindung gebracht wird, lasst uns diese Stelle lesen.

Lies nun 3. Mose 4, 32-35. Schreibe danach auf, was für Gedanken dir bei folgenden Abschnitten aus dem Text kommen:

- “als Sündopfer schlachten”


- “All sein Blut soll er an den Fuß des Altars gießen.”


- “So erwirke der Priester Sühnung für ihn wegen seiner Sünde, die er begangen hat, und es wird ihm vergeben werden.”




Ich würde gerne wissen, was ihr so geschrieben habt. Ich habe eine Gänsehaut bekommen: hier wird Tod, Blutvergießen und Vergebung beschrieben. Und auch wenn wir diese Stelle vielleicht zum ersten Mal genauer gelesen haben, war dies ein Ritual, dass jeder Jude kannte. Mit der Erwähnung des Opferlammes war dieses Bild in den Köpfen: Tod und Blutvergießen als Notwendigkeit für die Vergebung. 
So weit so gut, aber nun kommt der Hammer. Denn wer bringt hier das Opferlamm dar?
Warum braucht Gott ein Opferlamm? Derjenige, der gesündigt hat, brachte doch das Opferlamm? Aber Gott hat doch nicht gesündigt, sondern wir. 
Das Einzige, was dem nahe kommt ist die Geschichte in 1. Mose 22. Abraham bekommt  hier den Auftrag von Gott, Isaak, seinen geliebten Sohn, zu opfern. Und auch wenn er es nicht versteht, ist er voll Vertrauen auf Gott.

Lies einmal 1. Mose 22, 8 und schreibe auf, was Abraham Isaak auf die Frage nach dem Opfertier antwortet. 





Laut dem Kommentar zur net.bible ist gerade diese Stelle sehr wichtig als Hintergrund zu dem Titel “Lamm Gottes”. “Im jüdischen Denken wurde dieses Opfer als ein überaus wichtiges angesehen. G. Vermes sagte: “Für den palestinänsichen Juden waren alle Opfer eines Lammes und besonders das Passahlamm oder die Opfer des Tamid (tägliche Opferungen) eine Erinnerung an das Akedah ( - die Geschichte von Abraham, der bereit ist, seinen Sohn Isaak zu opfern (1. Mose 22)), mit den Eigenschaften der Erlösung, Vergebung der Sünden und einer messianischen Rettung.”

Aber das Gott hier das Opfer bringt, ist erst der Anfang von dem, was neu ist. Denn direkt im Anschluss sagt Johannes: “dass die Sünde der ganzen Welt wegnimmt.” Wir wissen schon, dass das Opfer als Sündopfer geschlachtet wird. Aber etwas für die Jude unvorstellbares ist die Behauptung, dass durch dieses Opfer die Sünde der ganzen Welt tilgt. Das gab es noch nie. Auf jedes Opfer musste ein Neues folgen. Nie reichte ein Opfer für das Leben eines einzelnen Menschen, ganz zu schweigen von ganz Israel. Aber hier behauptet Johannes, dass mit diesem Opfer alle Sünden der GANZEN Welt weggenommen werden. Wir haben dies wahrscheinlich schon so oft gehört, dass wir schnell denken, ist doch klar. Aber für die Zuhörer von Johannes dem Täufer ist dies unvorstellbar. 

Lies Hebräer 10, 1-18. Diese Stelle fast sehr gut zusammen, was durch den Tod Jesus anders ist im Gegensatz zu den Opferungen im AT. Schreibe kurz auf, was dir heute ganz neu an dieser Stelle aufgefallen ist.







Insgesamt ist dieser eine Vers, den wir uns nun unter die Lupe genommen haben, wie eine sehr komprimierte Zusammenfassung von der Botschaft des Täufers. Dies ist auf den Punkt gebracht, die Person, auf die er hinweist. Und für mich benutzt Johannes, der Evangelist dies  als Zusammenfassung für sein Evangelium. Diese Aussage wird er durch den Rest seines Berichtes über Jesus untermauer und genauer erklären. Er möchte den Leser aber schon einmal darauf vorbereiten, dass vieles anderes ist, als es zunächst den Anschein macht. Und wir brauchen uns keine Sorgen machen, wenn wir vieles noch nicht verstehen. Oder alles so viel auf einmal ist. Es soll uns neugierig machen. Fragen aufwerfen, die wir beim Weiterlesen in Hinterkopf haben sollten.

Nach dieser, nicht so einfach zu verstehenden Einleitung, wird es doch einfacher. In den nächsten Versen wiederholt Johannes der Täufer noch einmal, wer er ist, und warum er gekommen ist. Mit seinen Worten aus Vers 31, ist er gekommen, “weil Israel erkennen soll, wer er (Jesus) ist.” Und da Jesus gerade zu seiner eignen Taufe auftaucht, die Johannes in seinem Evangelium nicht beschreibt, ist die Aufgabe des Täufers fast am Ende. Nur eins bleibt noch. Allen unmissverständlich zu erklären, warum Jesus der ist, auf den er immer wieder hingewiesen hat. Und dies geschieht mit den Versen 31 - 34. 

Lies diese Verse noch einmal, und schreibe mit eigenen Worten auf, warum Johannes, der auch nicht den Menschen kannte, auf den er hinweisen sollte (Verse 31 und 32), nun fest davon überzeugt ist, dass es Jesus ist. 






Und wieder sind wir dabei, dass es hier um einen Augenzeugenbericht geht. Johannes erzählt hier seine eigne Geschichte. Was er von Gott erfahren hat, und was er gerade mit eignen Augen gesehen hat. Und somit stellt er die Zuhörer vor die Entscheidung, was sie mit dem Gehörten machen sollen. Glauben sie Johannes und seinem Zeugnis, oder nicht? Es geht nicht darum, ob Johannes die besten Argumente dafür hat, warum jetzt gerade Jesus, der Messias ist, sondern er erzählt, was er erlebt hat. Und entweder glauben die Leute ihm, und dass er vertrauenswürdig  ist, und damit auch seine Botschaft, oder nicht. Und das bedeutet es, Zeuge zu sein. Wir erzählen Geschichten aus unserem Leben, das, was wir mit Gott erlebt haben. Wie wir ihn persönlich erfahren haben. Wir lassen Gott durch unser Leben sprechen. Und dann ist es an den anderen, zu entscheiden, ob er uns glauben kann oder nicht. Und so hängt viel davon ab, ob unser Leben, ob unsere Handlungen mit dem übereinstimmen, was wir erzählen. Zeuge zu sein, ist mehr als eine Botschaft weiterzugeben. Man lebt es. Für Johannes den Täufer war seine Botschaft nicht nur leere Worte, er hat es gelebt.

Nimm dir kurz Zeit, mit Gott darüber zu reden, ob es Bereich gibt, wo unser Leben nicht mit unserer Botschaft übereinstimmen. 






All dies geschieht am Anfang von Jesus öffentliche Dienstes. Gehen wir nun mal in unserem Zitat ein Stück weiter. Um den Anschluss zu bekommen, beginnt das Zitat noch mal am Anfang.

 “Es ist gut möglich, dass Johannes hier diese Details benutzt (diese andere Schreibweise für den Ort, was damals üblich war, wenn eine Erzähler einen Punkt machen wollte (Anmerkung von mir, wird im Text von Carson davor erklärt) ): er entscheidet sich für eine bestimmte Art der Rechtschreibung, um hervor zu heben, dass Jesus Dienst sowohl in ‘Betanien’ beginnt als auch dort endet. Zu Betanien, jenseits des Jordans wird Jesus als Lamm Gottes, dass die Sünde der Welt auf sich nimmt, identifiziert (1, 28-29);am Ende seines öffentlichen Dienstes, zieht er sich an den gleichen Ort zurück und das Zeugnis von dem Täufer wird wiederholt (10, 39-40).”

Nachdem wir uns das nun die ganze Zeit über angesehen haben, liest einmal diese Zusammenfassung, über Johannes (der Täufer) Leben und Dienst in Johanne 10, 39-40 und schreibe kurz auf, was du über dieses Zeugnis denkst.



Ist das nicht eine großartige Zusammenfassung. Ich wünschte mir, dass man das am Ende auch über mein Leben sagen könnte: Stephi hat zwar keine Wunder vollbracht, aber das was sie sagte, war wahr. Sie hat uns wirklich die Wahrheit erzählt. Und das tolle ist, wenn wir die Botschaft von Jesus weitergeben und wir diese auch ausleben, dann wird dies auch auf uns zutreffen, denn Jesus ist die Wahrheit.


 “Dann, gleich im nächsten Kapitel, vollführt Jesus sein letztes und größtes ‘Zeichen’ bevor dem Kreuz, die Auferstehung des Lazarus - in Betanien in der Nähe von Jerusalem (Johannes 11).Das Ergebnis ist die Ankündigung, dass Jesus als ein Opfer für das Volk sterben muss (11, 45-53) - wirklich das versprochene Lamm Gottes. Was als ein öffentlicher Dienst im Norden beginnt, endet mit einer öffentlichen Kreuzigung im Süden. Judäa, Samarien, Galiläa und nun auch Transjordanien (zu dem Batania (der wirkliche Name von “Betanien”, Anmerkung durch mich, wird vor dem Zitat erörtert) gehörte), alle Teile des versprochenen Landes, werden erwähnt. Denn Jesus war nicht nur ein regionaler Messias, ein Provinzprediger, sondern das wahre Israel. Als der subtile Schreiber, der er ist, greift Johannes geographische Notiz in diesem Vers Hauptthemen in seinem Evangelium auf und verbindet sie.”   

Lass uns nun zum Abschuss noch diese letzte Stelle lesen. Sie steht in Johannes 11, 45 -53. Wenn du Zeit hast, lies ruhig das ganze Kapitel. Schreibt beim Lesen eure Gedanken auf.




Als ich dieses Zitat und die angegeben Stellen zum ersten Mal gelesen habe, ist es mir kalt über den Rücken gelaufen. Johannes (der Evangelist) fängt die Beschreibung von Jesus Dienst mit den Worten “Seht, hier ist das Opferlamm Gottes, das die Sünder der ganzen Welt wegnimmt.”(Johannes 1, 29) und endet mit dem Beschluss des jüdischen Volkes, Jesus zu töten, damit nicht das ganze Volk streben muss. Und alles, was wir uns von nun an ansehen werden, müssen wir in diesem Licht betrachten. Jesus - Gottes Opferlamm - starb für uns. Und diese Botschaft sollen wir ausleben, als ein Zeugnis für die Menschen um uns herum. 



Original der Zitates: D.A. Carson, The Gospel according to John, 1991, Seite 147
“It may well be that John uses these details to make a point: he opts for a particular spelling to point out that Jesus’ ministry begins and ends at ‘Bethany’. At Bethany on the other side of the Jordan Jesus is identified by the Baptist as the Lamb of God who takes away the sin of the world (1:28-29); at the end of his public ministry, he retreats to the same place, and the witness of the Baptist is reviewed (10:39-40). Then in the very next chapter, Jesus preforms his last and greatest ‘sign’ before the cross, the raising of Lazarus - at Bethany near Jerusalem (Jn 11). The result is the announcement of the need for Jesus to die as a sacrifice for the people (11:45-53) - the promised Lamb of God indeed. What begins as public witness in the North ends in public crucifixion in the South. Judea, Samaria, Galilee, and now the Transjordan (of which Batanea  was a part), all the regions of the promised land, are mentioned. For Jesus was not a regional Messiah, a parochial preacher, but the true Israel. Subtle writer that he is, John’s geographical note in this verse anticipates and links major themes in his gospel.”

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